Gemeinsam gegen einsam

Cordula Meindl

Einsamkeit ist ein Gefühl, das auf Dauer krank macht – und das hunderttausende Menschen in Österreich betrifft. Immer mehr Organisationen und Regierungen nehmen sich der Frage an, was man gegen Einsamkeit unternehmen kann.

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Kein Einzelschicksal: Die Diakonie Österreich schätzt, dass rund 20 Prozent der Österreicher*innen dauerhaft von Einsamkeitsgefühlen betroffen sind. (Foto: Pexels/David Besh)

Der Sommer geht langsam in den Herbst über und mit den kürzer werdenden Tagen und den ersten Nebelschwaden verstärken sich bei vielen Menschen auch negative Gefühle und Stimmungen. Eines davon ist die Einsamkeit – „Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben“ fängt Rilke in seinem berühmten Herbstgedicht die Stimmung ein. Viele erleben dieses Gefühl dauerhaft – mit dramatischen Effekten auf ihre Gesundheit.

Einsamkeit macht krank

Denn Einsamkeit schlägt sich nicht nur aufs Gemüt, sondern hinterlässt auch im Körper ihre Spuren: Studien zeigen, dass einsame Menschen nicht nur ein höheres Risiko für Depressionen oder Suizid haben, sondern auch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Studien zur sozialen Isolation belegen, dass Menschen, die einsam sind, gesundheitsschädlicher leben. Alkoholkonsum, Rauchen oder Fettleibigkeit sind verbreiteter als in anderen Vergleichsgruppen. Menschen, die sich einsam fühlen, leiden eher unter Angstattacken, erleben verstärkt Hilflosigkeit und schlafen schlechter. Sie bleiben auch länger in frustrierenden Arbeitssituationen und fühlen sich durch Krisen stärker bedroht, was den Stresslevel weiter erhöht. Es ist nur folgerichtig, dass mit andauernder Einsamkeit oft auch eine verkürzte Lebenserwartung einhergeht.

Betroffene in allen Altersgruppen

Es gibt unterschiedliche Zahlen darüber, wie viele Menschen in Österreich an Einsamkeit leiden: Eine weltweite Einsamkeitsstudie schätzt, dass es – je nach Altersgruppe – bis zu 10 Prozent der Erwachsenen betrifft. Während des Lockdowns kam das Corona-Panel der Uni Wien sogar auf ganze 43 Prozent Österreicher*innen, die sich an manchen Tagen einsam fühlen. Die Daten zeigen auch, dass es nicht nur ältere Menschen betrifft, sondern dass es Einsamkeit in allen Altersgruppen gibt. Die Diakonie schätzt, dass rund 20 Prozent der Bevölkerung dauerhaft betroffen sind. Genug, dass immer mehr Expert*innen empfehlen, etwas gegen die „Pandemie der Einsamkeit“ zu unternehmen.

Ein Ministerium gegen die Einsamkeit

Großbritannien und Japan sind uns dabei schon einen Schritt voraus und haben in den vergangenen Jahren ein eigenes Einsamkeitsministerium eingeführt. Premierministerin Theresa May begründete den Schritt mit der „traurigen Realität des modernen Lebens“, die Millionen Menschen betreffe. Auch in Deutschland denkt man laut über eine „Einsamkeitsstrategie“ nach und in den Niederlanden schmiedeten Regierung und Monarch 2018 den „Pakt gegen die Einsamkeit“. Bisher ist in Österreich noch kein eigenes Ministerium gegen die Einsamkeit angedacht, aber es gibt immer mehr Initiativen, die niederschwellige Angebote zur Kontaktaufnahme für einsame Menschen schaffen.

Plattform gegen Einsamkeit

Im Juli wurde der Start der Website „www.plattform-gegen-einsamkeit.at“ verkündet, die Wissen zum Thema vermittelt und Informationen über aktuelle Angebote gegen Einsamkeit bündelt. Insgesamt will die Initiative damit zur Enttabuisierung des Themas beitragen. „Leiden Menschen dauerhaft unter Einsamkeit, beeinträchtigt das die psychische, aber auch die physische Gesundheit“, erklärt Dr. Karin Gutiérrez-Lobos, eine der Gründerinnen dieser Plattform. „Wir alle brauchen Orte des Dialogs, um soziale Kontakte zu fördern.“

Johannes Gorbach (Social City Wien), Katja Grafl (SozialPortal) und Martin Schenk (Armutskonferenz)
Podiumsdiskussion “Einsamkeit als Kehrseite sozialer Teilhabe“ mit Johannes Gorbach (Social City Wien), Katja Grafl (SozialPortal) und Martin Schenk (Armutskonferenz) anlässlich des Launches der plattform-gegen-einsamkeit.at (Foto: Edwina Steuer/Social City Wien)

Hilfe durch Künstliche Intelligenz

Seit Anfang August 2022 bietet auch das deutsche Startup „couch:now“ ein eigenes Video-Programm zur Bekämpfung der Einsamkeit an. couch:now ist die europaweit erste KI-gestützte Plattform für psychologische Online-Selbsthilfe und hat seit ihrem Start Ende 2021 bereits hunderte Kund*innen für die psychologische Beratung bei Beziehungsstress gewinnen können. Für das neue Beratungsangebot bei Einsamkeit arbeitet das Unternehmen mit 15 Professoren und weiteren anerkannten Psychologen wie Dr. Christian Firus (Oberarzt psychosomatische Klinik, Glottertal) sowie Ortwin Meiss (Leiter des Milton Erickson Instituts, Hamburg) zusammen. Entstanden ist daraus eine Grundlage aus rund 80 Video-Bausteinen. Mithilfe einer eigens entwickelten Daten- und KI-Plattform kombiniert das System für die Beratungssuchenden jeweils individuell passende Beratungsvideos. "Das Angebot richtet sich an Menschen, die sich mit schwierigen Situationen und psychischen Belastungen konfrontiert sehen und unmittelbar nach Unterstützung suchen: jetzt sofort und ohne Wartezeit", erklärt Co.-Gründer Dr. Stefan Junker.

Ein Plausch gegen das Alleinsein

Auch die Caritas hat einige Initiativen ins Leben gerufen, um Austausch- und Begegnungsmöglichkeiten für einsame Menschen zu schaffen. Zusammen mit Magenta wurde im Frühjahr 2020 das Plaudernetz gestartet – eine österreichweite kostenlose Hotline gegen das Alleinsein. Unter der Nummer 05/1776100 können Menschen, die niemanden zum Reden haben, mit Freiwilligen telefonieren, die gerne zuhören. 3.500 Plauderpartner*innen engagieren sich ehrenamtlich österreichweit beim Plaudernetz. Dabei ist das Plaudernetz aber keine Krisen- oder Expert*innen-Hotline, sondern ein einfaches Plauderangebot für die kleinen (und manchmal auch größeren) Gespräche, die vielen Menschen im Alltag fehlen. Seit Projektstart wurden bereits 625.000 Plauderminuten und 25.000 Gespräche gezählt. Täglich finden bis zu 100 Gespräche statt.

Durch die Bank ein gutes Angebot

Wer sich lieber ganz persönlich von Angesicht zu Angesicht mit anderen Menschen austauscht, kann sich aber auch auf ein sogenanntes „Plauderbankerl“ der Caritas setzen. Bei diesen Bänken ist Reden explizit erwünscht. Sie sollen gerade nach den Pandemiejahren und Lockdowns wieder für einen verstärkten Austausch unter den Menschen sorgen. Soeben wurde die „100. Parkbank mit besonderem Hintergrund“ am Rathausplatz von Klosterneuburg von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager und Klaus Schwertner, gf. Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, eröffnet. „Wer hier sitzt, setzt ein Zeichen gegen Einsamkeit und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft“, betont Klaus Schwertner. Sollte aber gerade keine andere Person in der Nähe sein, mit der man sich unterhalten kann, kann man auf den Bänken die Nummer des Plaudernetzes zu finden.

Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager und Klaus Schwertner, gf. Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, bei der Eröffnung der „100. Parkbank mit besonderem Hintergrund“ am Rathausplatz von Klosterneuburg.
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Bürgermeister Stefan Schmuckenschlager und Klaus Schwertner, gf. Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, bei der Eröffnung der „100. Parkbank mit besonderem Hintergrund“ am Rathausplatz von Klosterneuburg. (Foto: NLK Burchhart)