Sinn & UnSINN
„Ich will nicht, dass mir das Publikum vertraut“

Jürgen Philipp
Interview Berni Wagner - 5 Min. Lesezeit
Der Kabarettist und Komiker Berni Wagner verbindet mit seinem aktuellen Programm „Galapagos“ das ernste Thema Klimawandel mit Humor. Wagner über Hunderassismus, strategisches Schwitzen, warum Satire den Mächtigen weh tun soll und warum er nach Dingen sucht, deren Sinn sich ihm nicht erschließt.

SINNterest: Wenn man Sie auf der Bühne sieht, wirkt alles so unglaublich leicht. Sie scheinen nicht einmal zu schwitzen. Wie viel harte Arbeit steckt dahinter, dass es so leicht herüberkommt?
Berni Wagner: „Ich bin durchaus stolz darauf, dass es sehr leicht aussieht. Das hat seine Vor- und Nachteile, ist aber Absicht. Ich arbeite viel und lange, aber mein erklärtes Ziel ist es, dass es nicht nach Arbeit aussieht. Ich vergleiche es ganz gerne mit Sport: Manche machen Kabarett wie Gewichtheber, die schwere Themen heben, manche wie Ballett. Das ist genauso anstrengend, schaut aber schwerelos aus. So entsteht die Magie. Das Publikum sieht zwar gerne, dass jemand auf der Bühne arbeitet, aber das ist nicht die Magie. Die Magie liegt im Unerklärlichen – im Moment. Ich schwitze übrigens enorm. Im aktuellen Programm trage ich sehr enge Sporthosen und einen Poncho aus synthetischen Stoff. Da wird es heiß drunter und setzt einen eigenen Wasserkreislauf in Gang, eine Art abgeschlossenes Ökosystem. Ich schwitze daher strategisch, also an Stellen, die man nicht sehen kann.“
Manche machen Kabarett wie Gewichtheber, die schwere Themen heben, manche wie Ballett. Das ist genauso anstrengend, schaut aber schwerelos aus. So entsteht die Magie. Berni Wagner, Komiker
SINNterest: Sie sind studierter Biologe. Was wären Sie geworden, wenn Sie kein Kabarettist geworden wären?
Wagner: „Ich wäre wohl in die Forschung gegangen. Ich habe einen Master und meine Dissertation ist schon beurteilt, habe aber noch keine Defense abgehalten. Das Thema geht in eine Art ́Orchideenrichtung ́: Es geht um die Musikwahrnehmung von Tieren und um biologische Hintergründe warum wir Musik hören. Das wäre je nachdem Plan A oder B geworden. Ich habe gerne mehrere Dinge am Köcheln. Ich stelle es mir schwierig vor, nur eine Baustelle zu haben, das würde mich zu sehr stressen.“
SINNterest: Aber wie wird man zu einem Biologen, der mit der Natur hadert und Hunderassist ist, wie es Ihrem aktuellen Programm zu entnehmen ist?
Wagner: „Das erschließt sich logisch. Ich habe beschlossen, Biologie und Kabarett strikt zu trennen. Eine weitere Vorliebe von mir ist es, dass ich nicht will, dass mir das Publikum vertraut. Es gibt sicher Kollegen, wo sich die Leute denken, der ist besonders gescheit, der hat sicher alles sauber recherchiert. Das entspannt das Publikum, aber das interessiert mich überhaupt nicht. Ich möchte, dass die Leute darüber nachdenken, ob das alles Blödsinn ist, was ich da mache, oder nicht. Wenn ich was Blödes auf der Bühne bringe, bringe ich es als wäre es die volle Erleuchtung. Deshalb will ich nicht als Biologe da draußen stehen und die Leute glauben, es kommt jetzt eine Lehrstunde mit Lachen.“

SINNterest: Dennoch beschäftigen Sie sich in Galapagos mit dem Klimawandel. Wie bringen Sie Komik in ein solch ernstes Thema?
Wagner: „Für das letzte Programm habe ich mir überlegt welche Themen mich interessieren. Ich schreibe schließlich ein Jahr lang ein Programm und muss es daher so interessant finden, dass es mich zwei weitere Jahr interessiert. So kam ich auf die Klimakrise. Ich war sicher nicht der Erste, aber es gab noch keine ganze Show darüber. Es ist ein so komplexes Thema voll widersprüchlicher Informationen. Als Privatperson hat man keine Zeit alles zu lesen, also versuche ich halt einen Blickwinkel zu finden, der anderen nicht so leicht in den Schoss fällt. Das Hadern mit der Natur oder der Hunderassismus bringen neue Zugänge in Themen, die noch nicht so abgelutscht sind. Ich habe Wege gesucht, über das Thema zu reden, wie noch niemand darüber geredet hat. Es sagt fast jeder: ́Klimaschutz ja eh, da muss man was tun ́. Man wird kaum jemanden finden der sagt: ́Mir Wurscht, soll alles niederbrennen ́. Aber warum passiert dann nichts? Ich will die Leute mit Humor provozieren. In dem Programm stecken sehr viele Fakten drin. Ich will, dass die Leute nachher selbst weiterecherchieren. Es ist mein Anspruch, dass mein Publikum das Thema von sich aus erforscht und sich hinterfragt. Das ist immer das Ziel. Es gab immer wieder Stimmen von Klimaexpert*innen und aktivistische Gruppen, die meinten, es wäre wichtig, wenn man Klimawandel mit Humor verbindet. Mit Humor kann man die Leute niederschwelliger und mit weniger Schmerz heranführen. Mein künstlerischer Ansatz ist daher nicht das alte Sprichwort: ́Humor ist der Knopf, der verhindert, dass der Kragen platzt ́, sondern ich will dass der Kragen platzt.“
Mein künstlerischer Ansatz ist daher nicht das alte Sprichwort: ́Humor ist der Knopf der verhindert, dass der Kragen platzt ́, sondern ich will dass der Kragen platzt. Berni Wagner, Komiker
SINNterest: Welchen Stellenwert hat Satire in einer Welt von Panierprämien, Bargeldängsten oder vertauschten Excellisten noch?
Wagner: „Ich bin nicht der größte Satiriker, sondern Komiker. Was ich mache ist nicht Satire im strengen Sinn. Der britische Satiriker Chris Morris bekam einmal dieselbe Frage und sagte sinngemäß: Es sei nicht das Ziel von Satire, sich nur verrückte Dinge auszudenken, die gerade noch glaubwürdig sind, sondern den Mächtigen weh zu tun. Es beunruhigt mich daher, wenn Bürger*innen mit Steuergeld verklagt werden, wie kürzlich die Tagespresse. Zum Glück stellt sich die gesamte Kulturszene geeint diesen Slapp-Klagen entgegen.“
Sie haben eine ähnliche Sozialisation wie Benedikt Mittmannsgruber, und dennoch scheinen Sie die Antithese zu ihm zu sein. Was verbindet und was trennt die beiden Mühlviertler in der großen Stadt?
Wagner: Naja die Sprechgeschwindigkeit trennt uns natürlich. Aber wir haben beide einen Schnauzer – meiner ist zu einer Ganzgesichtsbehaarung ausgewachsen – und wählen beide ganz bewusst unser Outfit. Das ist ein neues Phänomen im Kabarett. Was trennt uns? Ich hatte anfangs, wie Benedikt, alle meine Auftritte in Oberösterreich und war so etwas wie ein Lokalmatador. Doch die Leute waren von dem überrascht, was ich so mache. Benedikt ist vielleicht eher, was man sich von einem Mühlviertler Kabarettisten erwarten würde. Natürlich kennen wir uns. Ich kenne die meisten Leute aus der Szene. Doch das wird immer schwieriger, weil die Szene aufblüht und diverser wird und die Leute aus den verschiedensten Richtungen kommen. Das ist aber das Coole an dem Job. Im Vergleich zu anderen Kunstformen ist es eine sehr freundschaftliche Szene, weil man sich nicht viel wegnimmt. Das was man macht, muss aus einem selbst entspringen und einzigartig sein. Daher nehmen wir uns gegenseitig kein Publikum weg.“
SINNterest: Was macht für Sie Sinn?
Wagner: „Für mich macht Sinn, wenn ich Sachen finde, die ich nicht verstehe. Für mich gibt es meist zu viel Sinnvolles. Ich suche also nach Dingen, deren Sinn sich mir noch nicht erschließt. Das zieht mich an. Es wäre deshalb auch falsch und langweilig wenn ich auf der Bühne stehen würde und so tun würde als hätte ich die Antworten.“ ●